21. März 2024
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Über den Erkenntnisgewinn und seine Hindernisse

Als ich noch ein Kind war, hat meine Mutter bei einem Gewinnspiel für mich mitgemacht und ein Überraschungspuzzle gewonnen. Wir wussten nicht, welches Bild sich ergeben wird. Während wir das Puzzle Stück für Stück aus all seinen Teilen zusammengebaut haben, kam das Motiv mehr und mehr zum Vorschein.

Es sind — wie Sie sicher wissen — nicht nur materielle Dinge, die wir gewinnen können. Wir können einen Menschen für uns gewinnen, seine Aufmerksamkeit und Zuneigung. Wir können Hoffnung und Zuversicht gewinnen. Präsenz und Selbstvertrauen. Sensibilität und Authentizität. Wir können ein Leben lang Fähigkeiten dazu gewinnen. Als Psychologin denke ich natürlich auch an den Gewinn von Erkenntnissen.

Ich persönlich gewinne immer wieder Einsicht durch einen Menschen, der ein Ohr für mich hat, ein aufmerksames, dem gegenüber ich aussprechen mag, was mich gefühlsmäßig bewegt und beschäftigt.

Daher geht es mir mit einem guten Gespräch oft so, dass ich mit mehr hinaus gehe, als ich hinein gegangen bin. Einem Gefühl, das vorher nicht da war. Manchmal mit einer Erkenntnis. Ähnlich geht es mir mit einem inspirierenden Text, den ich lese. Mit einem berührenden Gedicht, in das ich eintauche. Mit einem bewegenden Gedanken, den ich zu Papier bringe. Und wie ist das bei Ihnen? Was bringt Sie auf neue Erkenntnisse?

Auf jeden Fall handelt es sich bei Erkenntnissen um innere Prozesse, auch wenn sie durch sinnlich wahrnehmbare „Dinge“ in der Außenwelt angestoßen werden: Durch eine konkrete Erfahrung oder ein bestimmtes Erlebnis erkenne ich einen Zusammenhang und sehe, was mir zuvor verborgen blieb. Etwas mir Neues taucht auf, das bislang in meiner Denk- und Vorstellungswelt nicht existiert hat. Wie beim Zusammenbauen eines Überraschungspuzzles, bei dem das Bild zu Beginn noch nicht da ist und erst allmählich erscheint. Ich erkenne etwas im Anderen. Ich erkenne durch den Anderen etwas über mich selbst. Etwas über das Zusammenspiel zwischen uns beiden. Etwas über die Welt.

Erkenntnisprozesse geschehen eigentlich (wie) von selbst. Doch müssen wir bereit und offen für sie sein. Sie zulassen. Uns einlassen auf sie. Unsere Gedanken, Gefühle, Empfindungen aufmerksam beachten. Ein „waches Auge“ für das Unscheinbare haben, dient dem Erkenntnisgewinn — das genaue Schauen, Lauschen, Hinfühlen. Betrachten wir Erkenntnisgewinne als kostbare Geschenke des Lebens.

Einerseits gibt es Erkenntnisse, bei denen es uns leicht fällt, sie anzunehmen. Das sind Erkenntnisse, die wir von vornherein mögen, weil sie glückliche Gefühle in uns auslösen. Weil sie uns beflügeln. Gefühle der Erfüllung und Befreiung in uns wecken. Freude und Begeisterung entfachen. Wir würden uns mehr von ihnen wünschen, doch Erkenntnisse lassen sich nicht herbeirufen und schon gar nicht erzwingen.

Andererseits wiederum gibt es auch Erkenntnisse, die von uns weniger gerne wahr- und angenommen werden. Erkenntnisse, die es nicht so leicht haben bis zu uns durchzudringen. Erkenntnisse, denen sich etwas in den Weg stellt, während sie sich uns nähern.

Was könnte solch ein Hindernis auf dem Weg zur Erkenntnis möglicherweise sein?

Ist es die Angst, etwas zu erkennen? Müssten wir uns damit etwas Unangenehmes eingestehen? Wollen wir unsere Illusionen nicht verlieren? Eine Täuschung, der wir aufgesessen sind? Fühlen wir uns darauf nicht vorbereitet?

Kein Frage, es fühlt sich nicht immer leicht an, bestimmte Vorstellungen fallen zu lassen. Manch eine Erkenntnis passt einfach nicht in unser Vorstellungsbild. Der Begriff der selektiven Wahrnehmung beschreibt das psychologische Phänomen, bei dem wir im Wahrnehmungsprozess jene Aspekte herausfiltern, die unsere Vorstellungen bestätigen und alles andere ausblenden.

Haben Sie auch schon einmal erlebt, dass ein neuer Blickwinkel Ihr bestehendes Weltbild ins Wanken gebracht und Unbehagen in Ihnen ausgelöst hat? Ist es Ihnen auch schon mal so ergangen, dass Sie an einer Vorstellung festgehalten haben, obwohl es genügend Zeichen gab, die ein anderes Bild gezeichnet haben?

Erkenntnisse können herausfordernde Fragen in uns wecken, wie: „Wer bin ich dann noch, wenn ich die Erkenntnis annehme?“, „Will ich das?“, „Sind die Ziele, die ich bislang angestrebt habe, es überhaupt wert?“, „Verlangt die Erkenntnis etwas von mir?“

Sie stimmen mir vermutlich zu: sich seinen Erkenntnissen zu stellen, macht nicht immer nur gute Gefühle. Mitunter kann es sogar so sein, dass mit der Erkenntnis der Schmerz bei uns anklopft. Wir wollen ihr dann womöglich aus dem Weg gehen, nicht wahrhaben, was sie uns zeigen will und damit den leidvollen Gefühlen entkommen.

Oft erkennen wir das Zusammenspiel der Dinge erst aus der Distanz. Rückblickend betrachtet erkenne ich: Wann immer ich etwas verloren habe — wie schmerzhaft es auch war — habe ich auch etwas gewonnen. Meist eine Erkenntnis, eine erweiterte Sichtweise, oft verbunden mit neuen Möglichkeiten und Chancen, die mir einen Anstoß gegeben haben, über mich selbst hinauszuwachsen.

„Als du mich fallen gelassen hast,
habe ich fliegen gelernt“
(Anonym)

Vertrautes gehen lassen, verunsichert. Unser Körper ist dafür ein Lernfeld. So büßt unsere Haut mit zunehmendem Alter an Elastizität ein. Wir verlieren unser spiegelglattes Kindergesicht. Aber gewinnen wir mit unseren Falten nicht auch ein interessanteres und markanteres Antlitz? Außerdem dürfen wir dabei hautnah den unaufhörlichen Kreislauf von Werden und Vergehen miterleben, dem alles und jedes in unserer Natur unterliegt.

Geliebtes gehen lassen, tut weh. Die Lieblingsschale fällt beim Putzen auf den Fliesenboden. Beim Anblick des in 1000 Scherben zersprungenen Erinnerungsstückes erwacht der Schmerz. Die Lieblingsschale gilt als verloren. Aber gewinne ich durch den Verlust von Bedeutungsvollem und dem Zulassen von damit einhergehenden schmerzhaften Gefühlen nicht auch Gelegenheit, mich im Loslassen und Vertrauen zu üben?

Ich habe schon so oft etwas mir Wichtiges verloren — und etwas Entscheidendes dazu gewonnen. Etwas, das mich zu einem reiferen Menschen gemacht hat. Dieser Gedanke kann uns den Mut geben, genau hinzuschauen und uns auf Erkenntnisse einzulassen, sie als Bereicherung zu verstehen. Auch dann, wenn sie zunächst einmal schmerzen.

„Was bedeutet für Sie persönlich ein gutes Leben?“ wurde der Philosoph Gerhard Ernst 2021 in einem Interview mit der Universität Erlangen gefragt. Er antwortete: „Ich würde sagen, ein gutes Leben besteht aus diesen drei Komponenten: Schöne Empfindungen, Gutes tun und Erkenntnis gewinnen.“

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Herzlich
Ihre
Simone Fröch

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